Logo des Republikanischer Anwältinnen und Anwälteverein e.V., ein Quadrat in einem dunklen Rotton, darauf steht in serifenbetonten Kapitalen die Abkürzung RAV AufRecht RAV Kongress 13. bis 15. Juni 2025

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Programm

14. Juni, 14:0016:00

14. Juni, 14:0016:00

Antisemitismusbekämpfung im Rechtsstaat

 

Seit dem 7. Oktober 2023 wird von der deutschen Politik fast einhellig die effektive rechtliche Bekämpfung von Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen gefordert. Dies stellt einen Paradigmenwechsel dar, nachdem Antisemitismus in Deutschland über Jahrzehnte faktisch nicht sanktioniert wurde.

Doch trotz stark gestiegener Zahlen von antisemitischen Äußerungen, Sachbeschädigungen und Übergriffen seit einigen Jahren sind die Reaktionen der Justiz bislang eher ambivalent. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und liegen unter anderem in verengten Antisemitismus-Verständnissen, dem mangelhaften Umgang mit Recht für marginalisierte Gruppen, institutionellem Antisemitismus, Barrieren der Rechtsmobilisierung und fehlender Berücksichtigung der Betroffenenperspektive. Einmal mehr bietet der Rechtsstaat damit keinen wirksamen Schutz für drangsalierte Minderheiten.

Zugleich kann die Zurückhaltung der Justiz auch als Reaktion auf eine entfesselte rechtspolitische Debatte verstanden werden. Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit sollen durch eine „Staatsräson“ einschränkbar oder aufhebbar sein. Die Forderungen nach Strafrechtsverschärfungen und Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht scheinen keine rechtsstaatlichen Grenzen mehr zu kennen. Der Streit um Antisemitismus-Definitionen dreht sich nicht um den besten Schutz, sondern die schärfste Repression. Dabei geht es immer um den Antisemitismus der Anderen, kaum jemals um Selbstreflektion.

Enthemmte Repression, von der marginalisierte Gruppen und Minderheiten besonders betroffen sind, beseitigt die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte jedoch nicht und schafft weder notwendige Strukturen noch notwendiges Umdenken. Stattdessen ist der Rechtsstaat gefährdet, der die Demokratie zur „Heimstatt aller“ machen soll. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sind alle staatlichen Stellen gefordert, das Übermaßverbot ebenso zu beachten wie das Untermaßverbot.

Im Workshop werden einige Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Struggling for Justice – Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ vorgestellt, von Erfahrungen anwaltlicher Tätigkeit für „pro-palästinensische“ Positionierungen berichtet und die aktuelle rechtliche und rechtspolitische Situation reflektiert. Wir wollen uns gemeinsam austauschen über die Herausforderungen von Antisemitismusbekämpfung im Rechtsstaat, die weder Antisemitismus duldet noch Maßnahmen hiergegen nur als Vorwand für verfassungswidrige Repressionen.

mit
Prof. Dr. Ulrike Lembke, Freie Rechtswissenschaftlerin, Verfassungsrichterin, Projektleitung „Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ (2021-2025, abgeschlossen)
Michael Plöse, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Öffentliches Recht, insbesondere Polizeirecht (HU/HWR Berlin)

Zum Einlesen:
– Projektwebsite „Struggling for Justice. Antisemitismus als justizielle Herausforderung“ (ASJust): https://asjust.de/.
– Deutsches Institut für Menschenrechte, Die Folgen des 7. Oktober in Deutschland, Dezember 2024: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/die-folgen-des-7-oktober-2023-in-deutschland.
– Prof. Dr. Ulrike Lembke, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze“ (BT-Drucksache 20/9310): https://www.bundestag.de/resource/blob/988154/d426cab692639720f0c16b7f7ee24942/Stellungnahme-Lembke.pdf.
– Gesamte öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses zur Änderung des StGB vom 15. Januar 2024 mit allen Stellungnahmen und Video: https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse20/a06_recht/anhoerungen/978306-978306.
– Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus, Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen, 2017: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/heimat-integration/expertenkreis-antisemitismus/antisemitismus-in-deutschland-bericht.pdf.
– BMI, Zweiter Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland, 2024: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2024/2er_antisemitismusbericht.pdf.
– https://taz.de/Jurist-ueber-Palaestina-Kongress/!6004427/
– https://verfassungsblog.de/besetzte-hochschulautonomie/
– https://verfassungsblog.de/mehrdeutige-wortfolge-pauschale-kriminalisierung/

 

Änderungen am Programm und den Zeiten müssen evtl. noch vorgenommen werden – bitte flexibel bleiben.

Veranstalter sind der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) und die Werner-Holtfort-Stiftung. Wir danken dem Leipziger Strafverteidiger e.V. für die Unterstützung.